Die Veröffentlichung eines Major-Updates für die mobilen Betriebssysteme iOS und iPadOS von Apple geht auch immer mit einigen Neuerungen in den Bedienungshilfen einher. So ließ es Apple sich auch in diesem Jahr nicht nehmen, VoiceOver um einige neue Funktionen und andere Verbesserungen zu erweitern. Dieser Artikel soll einen kleinen Überblick bieten, welche Neuerungen iOS und iPadOS 18 im Herbst auf eure Geräte bringen wird.
VoiceOver-Einführung
Für iPhone- und iPad-Neulinge war es bisher nicht trivial, sich in die Bedienung von VoiceOver einzufinden. Zwar bietet Apple auf der hauseigenen Support-Webseite umfangreiche Ressourcen an, die den Umgang mit VoiceOver auf dem iPhone oder iPad erklären, allerdings mangelte es bisher an einer interaktiven Lösung, die einem Einsteiger die Grundlagen schnell und verständlich näherbringt.
Genau hier setzt die neue VoiceOver-Einführung in iOS und iPadOS 18 an. Wird sie unter Einstellungen > Bedienungshilfen > VoiceOver aufgerufen, führt das Gerät durch die wichtigsten Bedienkonzepte, die nach einer kurzen Erklärung auch gleich ausprobiert werden können.
Zu hoffen ist, dass beim ersten Start von VoiceOver automatisch gefragt wird, ob man zunächst mit der Einführung beginnen möchte, ähnlich wie es auch unter macOS der Fall ist.
Braillebildschirmeingabe mit zahlreichen Verbesserungen
Nutzer der Braillebildschirmeingabe dürfen sich auf zahlreiche Neuerungen freuen. So widmet Apple der Eingabemethode nun einen eigenen Bereich in den Brailleschrift-Einstellungen und bündelt hier die Konfigurationsmöglichkeiten.
Zudem kann die Braillebildschirmeingabe nun dauerhaft aktiv bleiben und auch außerhalb von Textfeldern genutzt werden. Die Braillebildschirmeingabe eignet sich somit nicht mehr nur für die komfortable Texteingabe, sondern fortan auch für die allgemeine Interaktion mit dem iPhone und iPad.
In diesem Zuge stellt Apple auch einen neuen Befehlsmodus bereit, der es ermöglicht, das Gerät mit den gleichen Braille-Befehlen zu steuern, die bisher nur über eine externe Braillezeile mit integrierter Braille-Eingabetastatur verfügbar waren.
Aktiviert wird die Braillebildschirmeingabe aufgrund der globalen Verfügbarkeit nicht länger über einen entsprechenden Rotor, sondern mit einer neuen Geste. Hierfür tippt man, sofern die Braillebildschirmeingabe in den VoiceOver-Einstellungen aktiviert ist, mit zwei Fingern auf die äußeren Ränder des Displays.
Über diese Aktivierungsgeste lässt sich die Brailllebildschirmeingabe entweder direkt im sogenannten Braille-Eintragsmodus oder im Befehlsmodus starten. Ersteren erreicht man durch zweimaliges Tippen, letzteren durch ein dreimaliges Tippen mit zwei Fingern auf die äußeren Displayränder. Während die Braillebildschirmeingabe aktiv ist, lässt sich mit einem Streichen mit drei Fingern von links nach rechts oder umgekehrt auch jederzeit zwischen Braille-Eintrag und Befehlsmodus wechseln.
Möchte man die Braillebildschirmeingabe wieder beenden, zieht man einfach zwei Finger auf, ähnlich der bekannten Pinch-to-Zoom-Geste, oder führt die Zickzack-Geste aus. Hat man die Option, dass die Braillebildschirmeingabe dauerhaft aktiv bleibt, nicht aktiviert, beendet sich die Braillebildschirmeingabe allerdings nach bestimmten Aktionen auch selbst, etwa nach dem Öffnen einer App.
Außerdem steht die Option zur Verfügung, die Braillebildschirmeingabe auch automatisch starten zu lassen, wenn ein Textfeld geöffnet wird. Gestartet wird sie dann im Braille-Eintragsmodus.
Ein kleiner Tipp am Rande: Da die Bbaillebildschirmeingabe nun auch auf dem Home-Bildschirm funktioniert, lässt sich über die Eingabe eines App-Namens nun einfach eine App öffnen, ohne sie über die vielen Seiten oder das Spotlight-Interface herauszusuchen, ähnlich wie es seit iOS 17 schon über eine verbundene Braillezeile funktioniert.
Brailletabellen aneinander anpassen
Ebenfalls neu in puncto Braille: Unter dem Punkt "Brailleschrift" lässt sich einstellen, ob die Brailletabellen für Braille-Eingabe und -Ausgabe aneinander angepasst werden sollen. Nach Betätigen der Umschalttaste wird ohne Fummelei sowohl für Ein- als auch Ausgabe dieselbe Tabelle verwendet.
Neugestaltete Brailletabellen-Auswahl
à propos Brailletabellen: Mit iOS und iPadOS 18 hat Apple die Benutzeroberfläche der zugehörigen Einstellungen neu gestaltet. Gleichzeitig verschwindet auch der bisher bekannte Brailletabellen-Rotor, der durch zwei separate Rotoroptionen für Ein- und Ausgabe-Tabelle ersetzt wird.
Blinkender Braille-Cursor abschaltbar
Wer sich am blinkenden Braille-Cursor stört, kann diesen mit iOS und iPadOS 18 nun bändigen: Wenn unter Einstellungen > Bedienungshilfen > Bewegung die Option aktiviert ist, dass der Cursor in Textfeldern nicht blinken soll, wirkt sich dies nun auch auf den Braille-Cursor aus.
Braille-Hinweise bis zum Schließen anzeigen
Bisher stehen für die Anzeige von Braille-Hinweisen auf einer externen Braillezeile nur zwei Optionen zur Verfügung. Der Nutzer kann sich entweder zwischen einem einstellbaren Zeitintervall, für das die Hinweise angezeigt werden sollen, oder der Deaktivierung der Braille-Hinweise entscheiden.
Mit iOS und iPadOS 18 gesellt sich zu diesen Optionen noch eine Dritte dazu: Wenn die Funktion "Bis zum Schließen aktiviert lassen" aktiviert wird, werden die Braille-Hinweise so lange angezeigt, bis sie durch das Drücken einer Routingtaste geschlossen werden.
Braillezeilen unkompliziert neu verbinden
Manchmal kommt es vor, dass die Braillezeile nicht reagiert und irgendwo hängen bleibt. Für diesen Fall hat Apple jetzt einen neuen Befehl hinzugefügt, der einer Berührungsgeste wie auch einem Tastaturkurzbefehl zugewiesen werden kann.
Einmal ausgelöst, trennt das System die Verbindung zu sämtlichen Braillezeilen und stellt sie anschließend erneut her.
Ausgeweitete Unterstützung für 2D-Braillegeräte
Ist das iPhone oder iPad mit einem unterstützten 2D-Braillegerät verbunden, wird es fortan möglich sein, Text und andere Objekte auch mehrzeilig darzustellen. Apple spricht auch davon, dass sich diese Einstellung über einen Braille-Textmodus-Rotor ändern lässt. Welche Auswirkung dies genau hat, kann ich nicht sagen, da ich kein 2D-Braillegerät besitze.
Objektauswahl für Braillezeilen und Braillebildschirmeingabe
Sucht man in einer App nach einem Objekt, dessen Namen man bereits kennt, lässt sich über eine verbundene Braillezeile oder über die Braillebildschirmeingabe nun jederzeit die Objektauswahl aufrufen und damit nach einem Objekt suchen. So erspart man sich das Durchnavigieren komplexer Benutzeroberflächen, gerade wenn man das Gerät nur über eine Braillezeile oder die Braillebildschirmeingabe ohne das direkte Anspringen von Elementen mit einem Fingertipp nutzt.
Stimmen-Rotor ersetzt den Sprachen-Rotor
Bisher gab es die Funktion nur unter macOS, Stimmen über einen Rotor zu ändern und damit schnell zwischen mehreren Stimmen zu wechseln. Mit iOS und iPadOS 18 hält diese Funktion nun auch auf dem iPhone und iPad Einzug. Über einen neuen Stimmen-Rotor lässt sich dann jederzeit die Stimme ändern.
Apple streicht im Zuge dessen den Sprachen-Rotor, was bedeutet, dass fortan nur noch nach Stimme unterschieden wird. So lässt sich über den Stimmen-Rotor auch eine Stimme für eine andere Sprache aufrufen.
Jedoch hat die Umsetzung bisher noch einige Mängel: So lässt sich bisher keine Standard-Stimme für andere Sprachen als die primäre Gerätesprache festlegen, wenn die Sprache automatisch erkannt und gewechselt wird, sofern die Option aktiviert ist. Außerdem kann es durch die fehlende Unterscheidung nach Sprache schnell unübersichtlich werden.
Der Stimmen-Rotor geht zugleich auch mit einer Neugestaltung der Benutzeroberfläche in den Sprachausgabe-Einstellungen von VoiceOver einher. Hierüber lassen sich Rotorstimmen hinzufügen und für jede Stimme das Tempo, die Tonhöhe und die Lautstärke sowie weitere Parameter, die seit iOS 17 verfügbar sind, einstellen.
Auch einen neuen Bereich "Audioeffekte" gibt es, in dem bisher nur eine Option namens "Equalizer" enthalten ist. Der Equalizer ist aber bisher noch ohne Funktion.
Unterstützung für Litauisch und Kasachisch
Für die meisten wahrscheinlich nicht von Belang, aber dennoch eine Erwähnung wert: Mit iOS und iPadOS 18 fügt Apple Unterstützung für Litauisch und Kasachisch hinzu, sodass VoiceOver ab Herbst auch mit diesen Sprachen ohne Probleme zurechtkommt.
Präziseres Audio-Ducking
Die nächste Verbesserung findet sich im Bereich der Audio-Einstellungen. Unter dem Punkt "Audio-Ducking" lässt sich ab iOS und iPadOS 18 festlegen, ob die Lautstärke von Audioinhalten gegenüber VoiceOver nur beim Sprechen oder dauerhaft reduziert wird. Auch das Verhältnis, in welchem die Lautstärkereduzierung erfolgen soll, lässt sich hier anpassen.
Verzögerung vor dem Auswählen
Nach der Veröffentlichung von iOS und iPadOS 17 klagten einige Nutzer darüber, dass der Doppeltipp nicht mehr zuverlässig funktionierte. Stattdessen wurde die Doppeltipp-Geste fälschlicherweise als zwei separate Gesten erkannt, wodurch der Fokus ungewollt verschoben wurde.
Dem will Apple mit iOS und iPadOS 18 entgegenwirken: Mit der neuen Option "Verzögerung vor dem Auswählen" können Nutzer festlegen, wie lange es dauert, bis der Fokus nach dem Berühren des Bildschirms bewegt wird.
Diese Zeitspanne, die in Millisekunden eingestellt wird, greift aber nur dann, wenn der Finger zuvor vom Display angehoben wurde. Bewegt man den Finger ohne Anheben über den Bildschirm, wird der Fokus wie bisher ohne Verzögerung verschoben.
Erkennungsmodus wird zur Live-Erkennung
Zum Schluss noch eine Funktionsanpassung, die allerdings in der Beta noch nicht zuverlässig bis gar nicht funktioniert und daher auch noch nicht geklärt ist, was es letztlich damit auf sich hat: Mit der sogenannten Live-Erkennung löst Apple scheinbar den bisher bekannten Erkennungsmodus ab bzw. integriert die Szenen-, Personen-, Tür- und seit iOS und iPadOS 18 auch Möbel-Erkennung tiefer in VoiceOver.
Zudem wurde ein neuer Rotor namens "Live-Erkennung" hinzugefügt, über den sich die verschiedenen Modi einfach ein- und ausschalten lassen. Für die Live-Erkennung ist mindestens ein iPhone der Pro-Serie ab iPhone 12 Pro oder ein iPad Pro ab der 2020er-Baureihe erforderlich, da nur diese Geräte über einen LiDAR-Scanner verfügen.